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Achern, den 8. 12. 2017

Landesnaturschutzverband
Baden – Württemberg e. V.
Olgastr. 19
70182 Stuttgart

LNV- Arbeitskreis Ortenau 2
Peter Huber
von-Behringstr.8
77855 Achern



An das
Landratsamt Ortenaukreis
Amt für Umweltschutz
Untere Wasserbehörde
z. Hd. Frau Ramona Abel
Badstr. 20
77652 Offenburg


Herstellung der Durchgängigkeit an der Acher von km 9+830 bis km 9+367

Ihr Schreiben vom 7. 11. 2017

Sehr geehrte Frau Abel,
für die Zusendung der Unterlagen zum o.g. Verfahren bedanken wir uns.

Im Zusammenhang mit der von uns zu erarbeitenden Stellungnahme möchten wir nicht unerwähnt lassen, dass Mitglieder des Arbeitskreises auch in der „Bürgerinitiative Acher“ beteiligt sind, die mit mehreren Stellungnahmen, Behördenbesprechungen und Vor – Ort – Terminen in der Diskussion um das geplante Fischtreppen – Betonwerk am Mühlbachwehr in Oberachern engagiert waren und sind.
Zu den nun vorliegenden zwei Verfahrensgegenständen von Fischaufstiegen im Umfeld der Brücken Oberkirchstraße bzw. Oberachernerstraße nehmen wir wie folgt Stellung:

I. Sachstand

1. Oberkirchstraße
Der ursprünglich ca. 8 m lange Acherabsturz unterhalb der Oberkichstraßenbrücke soll durch Verzug der Sohle auf einer Strecke von ca. 60m Länge unter Einbau von fischgrätenförmig angeordneten Steinriegeln durchgängig gemacht werden. Die Plansohle wird aus Stein-material mit einer Dicke von 20cm angelegt.

2. Oberacherner Straße
Das bestehende Wanderungshindernis in Form eines ca. 12m langen Absturzes und einem in ca. 26 m Distanz folgenden Staubrettes soll durch ein Raugerinne mit Beckenstruktur ersetzt werden. Dabei werden 19 querliegende Becken mit einer jeweiligen Breite von 8m und einer Länge von 2,7m auf einer Strecke von 70 – 80m zur Überwindung einer Höhendifferenz von 2,4m angeordnet. Die Schlitzbreite zwischen den Becken beträgt 40cm, die Beckensohle besteht aus gesetzten Steinen.
Die Kosten für die beiden Werke werden sich nach Angaben der Stadt (Stand 17.07.2017) auf insgesamt 425.000€ belaufen. Dabei werden 85% = 361.250€ (!) vom Land bezahlt, die restlichen 15% = 63.750€ sind durch die Stadt zu finanzieren. Der Anteil der Stadt rechnet sich kostenneutral, da hier ca. 255000 Ökopunkte (!) gutgeschrieben werden.

II. Bewertung

Grundsätzlich befürworten wir eine, nach den Standortfaktoren (Gewässerstruktur, Mindest-wassermenge, Artenspektrum) orientierte Beseitigung von Wanderungs-hindernissen im Flusslauf.
Durch Analyse der Gesamtsituation kommen auch wir zum Ergebnis, dass – wie im Erläuterungsbericht des beauftragten Büros Winski beschrieben – auf weiterführende naturschutzrelevante Verträglichkeitsuntersuchungen verzichtet werden kann.

Dezidiert fordern wir aber die Umsetzung der auf S. 16 des Gutachtens dargestellten Vermeidungs -, Minimierungs – und Kompensationsmaßnahmen. Darüberhinaus wünschen wir – im Falle von Gehölzfällungen - eine Ersatzpflanzung mit standortgerechten und einheimischen, bachbegleitenden Bäumen und Sträuchern (Galeriewald).
Insoweit können wir der Planung zustimmen.

III. Anmerkung

Eine seit Jahren intensive Beschäftigung mit den hydrologischen, strukturellen und ökologischen Gegebenheiten der Acher im Gesamtverlauf veranlassen uns, solche punktuellen Vorhaben in einen Kontext zu stellen. Daher wollen wir, wie schon beim Verfahren „Mattenmühle“, auch bei diesem Verfahren einige grundlegende Aspekte im Hinblick auf zukünftige Planvorhaben im Wasserkörper Acher anführen. Auf dieser Diskus-sionsebene beschränken wir uns auf den, die Stadt Achern betreffenden, südöstlichen Teil der Achern von der WKA „Mattenmühle“ bis zur „DB – Eisenbahnbrücke Acher“.

1. Die Acher ist auf diesem, ca. 4km langen Verlauf von insgesamt vier (!) ableitenden Mühlenkanälen tangiert, so dass ihr auf minimalen 3% der Strecke das volle, von Kappelrodeck zuströmenden Wasservolumen zur Verfügung steht. Diese Situation setzt sich bis zur Mündung in den Rhein fort.
2. Die dem Flusshauptkörper Acher zugestandene Mindestwassermenge ist mit 250l/sec (9 Monate) bzw. 400l/sec (3 Monate) im Vergleich zu den anderen regionalen Schwarzwaldflüssen (Elz, Kinzig, Rench, Murg) der alles entscheidende limitierende Umwelt-faktor. Dies insbesondere auch daher, da die Mindestwassermengenführung nicht die Ausnahme, sondern in ca. zwei Dritteln des Jahres die Regel darstellt.
3. Die Acher ist angesichts des Minimalwasserspiegels im Gewässerbett als Habitat für die ins Auge gefassten Leitfischarten entweder gar nicht (Barbe), für Döbel und Bachforelle nur beschränkt tauglich. Daher muss es schon sehr verwundern, dass in der Begründung zur Herstellung eines „guten ökologischen Zustands“ das Leitziel formuliert wurde: „ Langdistanzwanderfischen die Möglichkeit zu geben, in die Laichgebiete der Rheinsei-tengewässer einzuwandern.
4. Der Acher fließen aus dem stromaufwärts liegenden Gebiet eine Vielzahl von kleinen Bächen und Gräben zu, die das Wasser aus einer Reihe von Steinbrüchen und einer intensiven Landwirtschaft ableiten. Außerdem dient sie als Vorfluter der Kläranlage Kappelrodeck, insofern weist die Wasserqualität eine entsprechende Vorbelastung auf.
5. Die durch die Wehranlagen erzeugten Staustrecken führen zwangsläufig zu Fließgeschwindigkeitsreduktionen und damit zu geringerem Sauerstoffeintrag, Temperatur-erhöhung und schädlichen Absetzungsprozessen.
6. Die zunehmende Klimaveränderung und die weiter laufenden Versiegelungsprozesse (Ausweisung neuer Gewerbe -, Freizeit – und Wohnungsbauflächen) führen des Weiteren zu negativen Veränderungen der jährlichen Abfluss-charakteristik ( extrem lange Niedrigwas-serzeiten und kurze Hochwasserspitzen). In diesem Zusammenhang sei nicht unerwähnt, dass wir von mehreren Planungsüberlegungen zu Siedlungsvorhaben im unmittelbaren Randzonenbereich der Acher in der obenliegende Nachbargemeinde Kappelrodeck erfahren haben.
7. Auch eine Vor – Ort – Analyse der drei Fischtreppen oberhalb des geplanten Mühlbach-wehrs Oberachern führt zu einem nüchternen Bild der Leistungsfähigkeit dieser Anlagen. Hinzukommt, dass die Fischtreppe an der Ableitung Hanfwerke seit ein bis zwei Jahren außer Betrieb ist.


Fazit:

Von den zahlreichen Parametern, die zum Erreichen eines guten ökologischen Zustandes notwendig sind, befindet sich der gewählte Faktor „Mindestwasser“ mit 250/400l/sec am absolut untersten Wirkungsgrad. Für den Faktor „Durchgängigkeit“ dagegen, werden äußerst optimistische Indikatoren formuliert, die, nach unserer Überzeugung, mit der Wirklichkeit nicht in Deckung zu bringen sind.
Auf einer Strecke von knapp 2km Länge sollen mit fünf Fischtreppen (Maßnahmen 3011, 3012/3013, 3014, 3015, 3016) – mit geschätzten 3-4 Mio. an Steuergeldern - Projekte zur Durchlässigkeit umgesetzt werden. Das anteilige finanzielle Engagement der Stadt würde dann mit ca. 1,8 bis 2,4 Mio. (!) Ökopunkten belohnt werden, mit denen dann das Defizit von ca. 20ha (!) Baugebietsflächen kompensiert werden kann.
Daher ist es aus unserer Sicht zwingend geboten, den Umfang der zukünftigen Planungen technischer Umweltschutzmaßnahmen einer nüchternen Preis–Leistungsanalyse zu unterziehen.

Mit freundlichen Grüßen
Peter Huber